Worum geht es?
New York, irgendwann in den Goldenen Zwanzigern. Die fünfzehnjährige Louise Brooks aus Wichita (Kansas) hat diese Metropole vor Augen, wenn sie sich eine berühmte Karriere als Tänzerin vorstellt. Voller Selbstbewusstsein stürzt sie sich in das Nachtleben New Yorks und in das neue Tanztraining. Leider ist sie nicht allein in ihrer Stadt der Träume. Ihre Anstandsdame Cora behält sie immer im Auge. Cora ist für Louise das Allerletzte: sie ist langweilig, sie ist verstockt, sie ist seit Ewigkeiten mit diesem gutaussehenden Anwalt verheiratet und auch noch Mutter von Zwillingen. Und sie versucht so gut es geht, auf Louise aufzupassen. Und das ist gar nicht so leicht. Es ist, als ob zwei Welten aufeinander prallen: hier Louise, die alles mitnehmen will, was sie kann, in dieser verrückten Stadt, die niemals schläft – da Cora, die vor allen Dingen Angst um Louises Jungfräulichkeit und ihren guten Ruf hat. Allerdings hat Cora auch ganz eigene Motive, die Reise anzutreten. Vor langer, langer Zeit kam sie als Kind mit dem Zug nach Wichita. Name: Cora X, Herkunft: unbekannt. Während Louise in New York den Sommer ihres Lebens verbringt, versucht Cora etwas über ihre Herkunft herauszufinden und kommt dabei nicht darum herum, auch ihr eigenes Leben, ihre Vorstellung von Glück und ihre Ehe in Frage zu stellen …
Das sage ich…
Ein Roman, der in den 1920ern spielt und ein tolles Cover – ich habe das Buch direkt aus der Bücherei mit nach Hause genommen und sofort angefangen zu lesen. Louise Brooks gab es wirklich und ihre tragische Karriere beruht ebenfalls auf wahren Tatsachen. Brooks wurde durch Stummfilme und ihre, für die damalige Zeit typische, Bubikopf-Frisur bekannt. Dem Zeitgeist entsprechend, spielte sie nicht nur in Georg Wilhelm Pabsts Wedekind-Verfilmung die Lulu, sondern auch in Tagebuch einer Verlorenen. Außerdem soll sie mit der Garbo eine Affäre gehabt haben.Doch dann der Abstieg: mit ihrer Firma Paramount gab es Vertragsunstimmigkeiten, Brooks spielte zwar noch in Frankreich, aber Paramount streute Gerüchte und behauptete, dass ihre Stimme für den Tonfilm absolut ungeeignet sei. Nach einer Kurzehe mit einem Millionär, ließ sie sich in den 1930ern wieder scheiden. Erst in den 1950er Jahren konnte Brooks an alte Erfolge anknüpfen, widmete sich nun aber vor allen Dingen dem Schreiben.
Im Schmetterlingsmädchen geht es aber nicht nur um Brooks, die ein tragisches Schicksal hat. Besonders Cora rückt in den Mittelpunkt der Erzählung. Denn erst nach und nach entfalten sich die Geheimnisse ihrer Lebensgeschichte. Dabei wird Coras Leben immer wieder mit interessanten Eckpunkten der amerikanischen Geschichte verknüpft. Sei es das Treiben des KuKluxClans, der Skandal um Verhütungsmittel oder die Kämpfe um die Prohibition. Doch nach dem Sommer mit Louise Brooks hat Cora einen neuen Weg gefunden, mit ihrer Ehe zurechtzukommen und die Frage nach ihrer Herkunft rückt langsam in den Hintergrund. Dabei wird Cora immer selbstbewusster und sicherer und schafft etwas, dass für viele andere Frauen nicht möglich wäre. Sie schafft es, den Schein zu wahren, aber trotzdem ein erfülltes, glückliches Leben zu führen, das außerhalb von Skandalen, Scheidungen und Krisen liegt. Es war mitreißend zu verfolgen, welche verschlungenen Pfade Coras Leben immer wieder nimmt, das auch immer wieder mit dem Schicksal von Brooks verwoben wird. Einziger Kritikpunkt ist der für mich etwas langatmige letzte Teil. Anstatt Cora bis ans Ende ihrer Tage zu verfolgen, hätte für mich dieser dritte Teil auch kürzer sein können. Wer aber Romane der Roaring Twenties mag und eine langsam erzählte, aber bildgewaltige und intensive Emanzipationsgeschichte unterhaltsam findet, wird mit diesem Roman bestens unterhalten. Sehr lesenswert!
Laura Moriarty: Das Schmetterlingsmädchen. Übersetzt von Britta Evert.
Bastei Lübbe Taschenbuch (2013).
ISBN: 447-33072629
Die Band OMD hat den Stummfilmstar Brooks 1991 in einem Musikvideo zu ihrem Lied „Pandora’s Box“ (Hallo Lulu!) geehrt.