The Hate U give

Wenn ihr in diesem Sommer Zeit für nur ein Jugendbuch habt (zum Beispiel, weil ihr gar keine Jugendbücher lest oder diese nur im Sommer lest oder überhaupt zu wenig Zeit zum Lesen habt – Gründe gibt es viele) – dann lest The Hate U give von Angie Thomas. Punkt.

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Starr ist 16 Jahre alt und hat endlich eine Balance für die unterschiedlichen Welten gefunden, in denen sie lebt. Einerseits ist da das schwarze* Problemviertel, in dem sie aufgewachsen ist und mit ihrer Familie lebt und andererseits das weiße* Viertel, in dem ihre Privatschule steht und sie als „Quotenschwarze“ gilt. Ihre Mitschüler*innen reden gerne vom „Ghetto“, wenn sie über Starrs Viertel sprechen – die meisten von ihnen waren noch nie dort. Starr hat sich daran gewöhnt, dass die beiden Welten nicht miteinander vereinbar sind.

Starrs Leben ändert sich mit einem Schlag, als ihr bester Freund Khalil von einem Polizisten bei einer Routinekontrolle seines Fahrzeugs erschossen wird. Khalil war unbewaffnet. Landesweit berichten die Medien über Khalils Tod. Viele stempeln ihn als Drogendealer ab, andere protestieren in seinem Namen gegen Polizeigewalt. Die Polizei und die Gangs des Viertels fangen an Druck auf Starrs Familie auszuüben, denn Starr saß im Auto und ist die einzige Zeugin des Vorfalls…

They probably heard me crying. Great. What’s worse than being the Angry Black Girl? The Weak Black Girl.  (S.116)

Angie Thomas hat ein Buch geschrieben, das wirklich jede_r lesen sollte. Es geht um Alltagsrassismus, Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt und fiktionalisiert so Ereignisse, die 2013 unter dem Hashtag #BlackLivesMatter auf Twitter und verschiedenen SocialMedia-Kanälen thematisiert wurden.

Neben vielen anderen Fällen von rassistischer Polizeigewalt, sorgten drei Todesfälle in den Jahren 2013 und 2014 für Aufsehen. 2013 wurde der 17-jährige Trayvon Martin in Californien von dem Nachbarschaftswachtmann George Zimmermann erschossen. Zimmerman behauptete, er habe in Notwehr gehandelt, als er den am Boden liegenden Jugendlichen erschossen habe. Trayvon war unbewaffnet. Zimmerman wurde freigesprochen.

 2014 wurde der 18-jährige Michael Brown von dem weißen* Polizisten Darren Wilson in Ferguson, Missouri, erschossen. Brown war unbewaffnet, Wilson feuerte insgesamt zwölf Schüsse auf den Jugendlichen ab. Einige Zeugen sagen, Brown habe sich „bedrohlich“ auf den Polizisten zubewegt. Als die Grand Jury entscheidet, dass es kein Verfahren geben soll, kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Ferguson.

 Im selben Jahr stirbt der 43-jährige schwarze* Michael Garner bei einer gewaltsamen Polizeiaktion in New York. Garner wurde von der Polizei verdächtigt, illegal Zigarretten zu verkaufen. Garner verneinte das und wehrte sich gegen eine körperliche Untersuchung, daraufhin wird er von dem Polizisten Daniel Pantaleo in einen (für Einsatzkräfte eigentlich verbotenen) Würgegriff genommen. Obwohl Garner, der an Asthma litt, mehrmals rief, dass er nicht atmen könne, warfen mehrere Polizisten den Mann zu Boden und behielten ihn im Würgegriff. Garner starb vor Ort. Keiner der anwesenden Polizisten hat auch nur versucht, Garner wiederzubeleben. Die Grand Jury klagte die Polizisten nicht an.

In diesem gesellschaftlichen Klima beginnt Angie Thomas, die in Mississipi lebt und Creative Writing studiert hat, ihren Debütroman zu schreiben, der aktueller nicht sein kann und zum Bestseller wird. Inspiration für den Titel ist für die ehemalige Rapperin der Musiker Tupac Shakur (1971-1996), der auch für die Figur Khalil einen Heldenstatus inne hat. 2Pac war Mitglied der HipHop-Gruppe Thug Life und hat in seiner kurzen Musikkarriere über 75 Millionen Alben verkauft. Im Amerikanischen Slang werden Kriminelle häufig als Thugs bezeichnet. Tupac deutet den Begriff Thug Life für sich um.

„Listen! The Hate U – the Letter U – Give Little Infants Fucks Everybody. T-H-U-G L-I-F-E. Meaning what society gives us as youth, it bites them in the ass when we wild out. Get it?“ (S.21)

Starr muss sich nach dem Tod von Khalil nicht nur mit ihren besorgten Eltern herumschlagen. Sie hat selbst Angst vor der Polizei und Angst davor, wie es mit den Kings (den Gangchefs ihres Viertels) weiter geht. Nach Khalils Tod ändert sich ihr Leben. Vieles, was für sie selbstverständlich war, ist es nicht mehr. In ihrer Schule weiß niemand was vorgefallen ist. Starrs neue Wachsamkeit für die eigene Situation führt auch dazu, dass sie anfängt, ihr eigenes Leben zwischen den verschiedenen Welten zu hinterfragen.

The Hate U give ist ein Roman, den man so schnell nicht vergisst. Weil er wahr ist und weh tut. Thematisiert werden race, identity, Freundschaft, Liebe und besonders das gesellschaftliche Klima, das in den USA herrscht. Angie Thomas zeigt die konkreten und tödlichen Folgen von Vorurteilen und Rassismus und macht so Alltagsrassismus greifbar – auch für Weiße* Menschen wie mich, die diese Diskriminierung – zum Glück – nie erleben mussten. Zum Schluss möchte ich noch John Green zitieren, denn das kann nie verkehrt sein: „Angie Thomas has written a stunning, brilliant, gut-wrenching novel that will be remembered as a classic of our time.“ The Hate U give hat eine Menge Potenzial zum modernen Klassiker zu werden. Lest dieses Buch.

 Angie Thomas: The Hate U give. Walker Books 2017.

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