Was ist noch gleich ein „Buchdate„? Beim Buchdate, initiiert von Zeilenende und wortgeflumselkritzelkram, geht es darum, ein Buch empfohlen zu bekommen und Bücher zu empfehlen. Nialebt hat mir Bücher empfohlen und ich habe ihr Bücher empfohlen. Ich habe mich für Kinder der Hoffnung von Marc Levy entschieden.
Marc Levy erzählt in Kinder der Hoffnung die Geschichte einer Gruppe französischer Jugendlicher, die sich in den 1940er Jahren der Résistance anschließen und gegen die deutschen Besatzer und die mit den Deutschen kollaborierende französische Miliz kämpfen. Marc Levy erzählt eine sehr persönliche Geschichte, denn es ist die Geschichte seines Vaters, der den Holocaust überlebte. Die Handlung spielt in Toulouse, das bis 1942 in der sogenannten „zone libre“ lag. Der Ich-Erzähler, der sich in der Widerstandsgruppe Jeannot nennt und sein jüngerer Bruder Claude, wollen natürlich bei den Aktionen der Résistance dabei sein. Anfänglich noch voll jugendlichem Idealismus, merken sie erst nach und nach, in welche Gefahr sie sich begeben. Es beginnt mit Flugblätteraktionen und das Leben im Widerstand ist ein faszinierendes Spiel. Die Jugendlichen lehnen den vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Besatzern ab. Doch dabei bleibt es nicht. Die Jugendlichen politisieren sich schnell, denn die Reaktionen auf ihre anfänglich so spielerische Rebellion lassen nicht lange auf sich warten.
Als er an diesem Abend nach Hause kommt, kann Caussat nicht ahnen, dass er drei Tage später denunziert und verhaftet sein und zwei Jahre in den Kerkern der Zentrale in Nîmes verbringen wird. Delacourt weiß nicht, dass er in wenigen Monaten von der französischen Polizei in einer Kirche von Agen, in die er sich geflüchtet hat, zu Tode geprügelt wird. Clouet ahnt nicht, dass er in einem Jahr in Lyon erschossen wird. […] Du siehst, für die Freunde hat alles wie ein Kinderspiel angefangen, ein Spiel von Kindern, die nicht die Zeit hatten, erwachsen zu werden. (S. 20)
Die Résistancegruppe, der sich Claude und Jeannot angeschlossen haben, beschließt, radikaler vorzugehen. Sie legen Bomben in Verwaltungsgebäude der Miliz, sie töten einen deutschen Offizier für jeden ermordeten Kämpfer der Résistance, sie jagen Fabriken in die Luft und sie beschädigen Züge, die Kriegsmaterial an die Front bringen sollen. Und andere Jugendliche aus Spanien und Italien kommen dazu, die schon länger unter dem Faschismus ihrer Heimatländer leiden müssen. Als die Gruppe schließlich denunziert und verhaftet wird, werden viele von ihnen hingerichtet. Gerichtsverhandlungen sind ohnehin nur noch Farce, das Todesurteil ist schon geschrieben. Die Überlebenden sollen nach Dachau transportiert werden, weil die Alliierten näher rücken. Nur wenige überleben den Transport. Als ein Freund im Sterben liegt, nimmt Jeannot ihm das Versprechen ab, eines Tages die Geschichte der Widerstandsgruppe zu erzählen. Sie darf nicht in Vergessenheit geraten.
Marc Levy hat ein erschütterndes Buch geschrieben. Und trotzdem liest es sich so leicht und locker wie ein spannender Abenteuerroman. Das ist zumindest irritierend. Doch mit dieser Irritation spielt Levy. Es finden sich lustige Szenen in seinem Text, es geht um jugendliche Trotzphasen, erstes Verliebt-Sein, Freundschaft und gleichzeitig werden die Schrecken des Krieges nicht vergessen.
„Der Krieg war nie wie im Film, das kannst du mir glauben. Keiner meiner Kameraden hatte etwas von einem Robert Mitchum, und wenn Odette auch nur ansatzweise Beine wie Lauren Bacall gehabt hätte, dann hätte ich sicher versucht, sie zu küssen, statt wie ein Idiot vor dem Kino zu zögern. Zumal sie am nächsten Tag an der Ecke Rue des Acacias von zwei Nazis erschossen wurde. Seither habe ich etwas gegen Akazien.“ (S.21)
Trotzdem liest sich das Buch wie eine gelungene Verfilmung und ist genau so emotional erzählt. Das war für mich gewöhnungsbedürftig und macht doch den Reiz dieses Romans aus, in dem erlebte Grausamkeiten irgendwann zur Normalität und Lebensrealität der Jugendlichen werden. Da vergisst man leicht, dass die jüngsten Widerstandskämpfer gerade sechzehn Jahre alt waren und die meisten von ihnen gestorben sind. Marc Levy ist es gelungen, ein Buch zu schreiben, das sehr unterhaltsam ist und gleichzeitig den Zweiten Weltkrieg nah in unsere Gegenwart holt, in dem er die Jugendlichen beschreibt, die keine anderen Träume oder Wünsche zu haben scheinen, als Jugendliche heute. Das gefällt mir sehr. Dass die Résistance und das Leben im besetzten Frankreich ansonsten – abgesehen von Abenteuerfaktor und konspirativen Treffen – wenig detailliert beschrieben wird, ist dann nur noch ein kleines Manko des Romans.
Marco Levy – Kinder der Hoffnung.
Aus dem Französischen von Bettina Runge und Eliane Hagedorn. Knaur 2008.
ISBN: 978-3-426-66301-1